Poesie
VON MIR
Zeit
Der Weg den Hügel hinauf ist gesäumt von Gräbern
deren unterschiedlicher Zustand
ein Spiegel ist für die Zeit die unaufhörlich verrinnt.
Zeit die meine Großeltern jetzt haben –
die mir aber immer wieder durch die Finger zu gleiten scheint.
Blätter tanzen im Wind
mal steigend und mal fallend
einige halten sich – den Sturmböen trotzend – tapfer am Ast.
Raben spielen fröhlich mit der Thermik
Und ziehen Kreis um Kreis durch den herbstlichen Himmel.
Wolkenformationen eilen durch das Blau
sich ständig wandelnd – wie Kristalle in einem Kaleidoskop.
Die Sonne küsst soeben den ersten Hügel im Westen
Ihr Licht taucht die Szenerie in einen goldenen Glanz.
und ihre Wärme liebkost meine Haut.
Stille macht sich breit,
der Raum in mir wird weit
und Zeit ist nicht mehr Zeit.
(November 2015)
Lachen
Wo Heiterkeit ist, ist Sinn nicht weit
ist Hoffnung und Leichtigkeit,
ist Glaube, Liebe und alles was trägt.
Ein Lachen kann so viel verzaubern:
Augenblick zu Ewigkeit,
Wichtigkeit zu Nichtigkeit.
Im Lächeln liegt wundersame Magie
eine heilsame Kraft
die selbst die düstersten Schleier durchdringt
sät den Samen der Hoffnung, wenn man mit Verzweiflung ringt.
Es bedarf allein unserer Offenheit diesen Samen aufzunehmen
und ihn zu nähren,
so dass auch wir eines Tages fähig werden
mit einem Lächeln jemandes Herzen tief zu berühren
um ihn so zu seiner vollkommen Blüte zu führen.
Berge
Berge besteigen – bezwingen,
so viel Mühsal – hoffen, kämpfen, ringen,
mit den Tränen, mit uns selbst, unserem Schatten, unserem Licht,
nicht annehmen können,
unsere Gaben nicht ehren,
unsere Möglichkeiten nicht schätzen,
uns an Nichtigkeiten stören.
Viele Wege gehen – und trotzdem auf der Stelle treten,
Mühe – oh wie überdrüssig ich doch ihrer bin.
Tief innen spricht zu uns eine vertraute Stimme,
doch sie zu vernehmen sich kaum je einer traut.
Hieße das doch so viel zu verändern,
so viel zu lassen,
sich wehrlos ergeben,
bedingungslose Kapitulation – der Weg zum Sieg?
Schutzlos, ausgeliefert, entlarvt, enthüllt,
am Umkehrpunkt erwacht zu neuem Leben,
leise lauschend dem eigenen Spiel,
um im Einklang fortzuschreiten und dort anzukommen,
wo man immer schon gewesen ist.
Hoffnung
Wurde aus dem Orbit geschleudert,
richtungslos, bewegungslos
und ohne Ziel.
Treibe im Strudel der Gefühle
im Ozean meiner Tränen
deren Salz niemand kostet!
Angeschwemmt an die Ufer
der Bedeutungslosigkeit
ein erloschener Stern
im ewigen All.
Erst wenn die Hoffnung stirbt
wird Liebe geboren.
Ich gebe sie hin…
Ich warte…
… lausche …
… lerne …
… LIEBE …
… und LEBE!
Unbewohnte Länder
Länder die nie bewohnt,
Pfade die nie begangen,
Momente die nie genossen,
Zeit die verrinnt,
Tränen die nie vergossen,
Tiefen die nie erforscht,
Berge die nie erklommen,
Steine die nie geschaut,
Wiesen deren Gras mein Rücken nie berührt
während Wolkenfiguren ungedeutet vorüberziehen
um niemals wiederzukehren.
Vieles noch zu tun und viel mehr noch zu lassen.
Herbstwind eile herbei,
Zeit um neu zu würfeln.
Fragen
Suche nicht nach immer neuen Antworten,
Denn jede Antwort wird eine neue Frage aufwerfen.
Sei satt und nähre Dich gut,
sei friedvoll, still und lausche.
Sei präsent und lass Dich beeindrucken,
auf ein Echo wartend
und wenn es Zeit ist, dass es zurückhallen möchte,
dann achte nur darauf,
ihm nicht im Wege zu stehen.
Sei stark und friedvoll,
der Weg ist steinig aber kostbar.
Liebe die Liebe & liebe das Leben,
die Wunden der Liebe machen Dich unverwundbar.
Trink von der Quelle die niemals versiegt
und Deine Fragen werden versiegen.
Bedtime poetry
Your eyes blindfolded …
you are sinking backwards into my arms …
you feel excited and completely safe in my strong presence
My awakening of your senses fuels your curiosity
exotic scents, vibrating sounds,
an explosion of taste on your tongue,
your skin caressed by my tender strokes
softly tickled by the touch of a peakockfeather
you slowly sink deeper into the floor as you breathe out a sigh of relief
My hands wander slowly and completely conscious
up and down the hills and valleys of your body
that I adore with every fibre of my being
Writing novels of sensuality all over your skin
I make you feel like the most beautiful girl on this planet
Full of devotion my hands are further exploring the wonderland of your body
your surrender is the gift that makes me pause
my hands rest on your admirable breasts
those wonderful expressions of „Shakti“
those fountains of life and volcanoes of love
and I´m honored to be the witness of your beauty
in the here and now that is all that matters
As I slowly pull the blindfolds off
you open your eyes and as you look up to me
something deep inside of us is melting
like two streams that are becoming one
Our hearts are having a conversation without words
your glances are seducing me, inviting me
to take you to the secret places you have never been taken to before
We rest in sheer presence
in the place between the flames of desire and the ocean of serenity
I am a student of your body
a student of the wonders of life …
and the secret to happiness is
to never really want to figure this miracle out completely
so that you always stay what you are …
… an ancient and everlasting mystery.
Gebet für Helden
Also mache ich mich auf den Weg …
auf die Reise des Helden, den Pfad des Kriegers.
Ich weiss, ich habe die Unterstützung der Spirits, meiner Ahnen, der Liebe, der Kraft meines Herzens, meiner Tiere, meiner Lehrer.
Dafür bin ich dankbar.
Möge ich fähig sein, immer das Beste in den Menschen zu sehen und ihre Kraft wahrzunehmen um diese zu stärken.
Möge ich die Menschen unterstützen auf ihrem Weg zum Krieger, auf ihrer Reise des Helden.
Möge ich achtsam und respektvoll sein.
Möge ich über die Kraft und Fähigkeit jedes Einzelnen Begeisterung verspüren.
Möge ich Kraft geben, wo Schwäche ist.
Möge ich Halt geben, wo Haltlosigkeit ist.
Möge ich Andere wahrhaftig sehen, so wie ich wahrhaftig gesehen werden möchte.
Möge ich am Ende stolz zurückschauen auf meinen Weg.
So sei es!
The beauty of a flower
Someone gave me a key
Without demands – completely free
So something deep healing could happen in me
The layers of ice can start to melt and spontaneous forgiveness is felt
The invisible wall gets more and more holes and there ́s connection between our souls
When I go to that door and turn the key I feel the fear of vulnerability
But the wish to be seen grows stronger than my fear and I dare to stand naked in front of you here
A shelterless feeling so awkward and new
But your love and compassion – they carry me through
A glance in your eyes – a feeling so pure – it ́s the strife for perfection that needs a cure
I ́m filled with joy and I feel I could fly – now the beauty of a flower can make me cry.
28.5.2012 – for Leonard Shaw
Von anderen
Wenn
Wenn du den Kopf bewahrst, da rings die Massen
längst kopflos sind und geben Dir die Schuld,
dir treu sein kannst, wenn alle dich verlassen,
und siehst ihr Zweifeln dennoch mit Geduld;
kannst warten du und langes Warten tragen,
läßt dich mit Lügnern nie auf Lügen ein,
kannst du dem Hasser deinen Hass versagen
und doch dem Unrecht unversöhnlich sein .
Wenn du kannst träumen, doch kein Träumer werden,
nachdenken und gleichwohl kein Grübler sein;
wenn dich Triumph und Sturz nicht mehr gefährden,
weil beide du als Schwindler kennst, als Schein;
kannst du die Wahrheit sehn, die du gesprochen,
verdreht zum Köder für den Pöbelhauf,
siehst du als Greis dein Lebenswerk zerbrochen
und baust mit letzter Kraft es wieder auf –
Wenn du auf EINES Loses Wurf kannst wagen
die Summe dessen, was du je gewannst,
es ganz verlieren und nicht darum klagen,
nur wortlos ganz von vorn beginnen kannst;
wenn du, ob Herz und Sehne längst erkaltet,
sie doch zu deinem Dienst zu zwingen weißt
und durchhältst, auch wenn nichts mehr in dir waltet
als nur dein Wille, der “durchhalten!” heißt –
Kannst du zum Volke ohne Plumpheit sprechen,
und im Verkehr mit Großen bleibst du schlicht;
läßt du dich nicht von Freund noch Feind bestechen,
schätzt du den Menschen, überschätzt ihn nicht;
füllst jede unerbittliche Minute
mit sechzig sinnvollen Sekunden an:
Dein ist die Erde dann mit allem Gute,
und was noch mehr, mein Sohn: Du bist ein Mann!
Rudyard Kipling
(genial übersetzt von Lothar Sauer)
Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden…
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
(Hermann Hesse)
Mein Lieblingszitat von Virginia Satir
Ich glaube daran, dass das größte Geschenk, das ich von jemandem empfangen kann, ist, gesehen, gehört, verstanden und berührt zu werden. Das größte Geschenk, das ich geben kann, ist, den anderen zu sehen, zu hören, zu verstehen und zu berühren. Wenn dies geschieht, entsteht Beziehung.
(Virginia Satir)
The Invitation
It doesn’t interest me
what you do for a living.
I want to know
what you ache for
and if you dare to dream
of meeting your heart’s longing.
It doesn’t interest me
how old you are.
I want to know
if you will risk
looking like a fool for love
for your dream
for the adventure of being alive.
It doesn’t interest me
what planets are
squaring your moon…
I want to know
if you have touched
the centre of your own sorrow
if you have been opened
by life’s betrayals
or have become shrivelled and closed
from fear of further pain.
I want to know
if you can sit with pain
mine or your own
without moving to hide it
or fade it or fix it.
I want to know
if you can be with joy
mine or your own
if you can dance with wildness
and let the ecstasy fill you
to the tips of your fingers and toes
without cautioning us
to be careful
to be realistic
to remember the limitations of being human.
It doesn’t interest me
if the story you are telling me
is true.
I want to know if you can
disappoint another
to be true to yourself.
If you can bear
the accusation of betrayal
and not betray your own soul.
If you can be faithless
and therefore trustworthy.
I want to know if you can see Beauty
even when it is not pretty
every day.
And if you can source your own life
from its presence.
I want to know
if you can live with failure
yours and mine
and still stand at the edge of the lake
and shout to the silver of the full moon,
“Yes.”
It doesn’t interest me
to know where you live
or how much money you have.
I want to know if you can get up
after the night of grief and despair
weary and bruised to the bone
and do what needs to be done
to feed the children.
It doesn’t interest me
who you know
or how you came to be here.
I want to know if you will stand
in the centre of the fire with me
and not shrink back.
It doesn’t interest me
where or what or with whom
you have studied.
I want to know
what sustains you from the inside
when all else falls away.
I want to know
if you can be alone with yourself
and if you truly like
the company you keep
in the empty moments.
By Oriah © Mountain Dreaming,
from the book The Invitation
Ein Tantriker / Eine Tantrikerin
Eine Tantrikerin lebt ihr Leben in dem Glauben, dass jede Erfahrung und jede Wahrnehmung die Einladung zu einer Liebesbeziehung ist. Und egal ob diese Liebesbeziehung etwas sehr flüchtiges ist, wie der Geschmack einer Erdbeere oder ein Windhauch durchs Haar oder ein Sonnenstrahl auf der Haut oder auch eine längere Wahrnehmung, wie ein schöner Sommerabend, oder ein Spaziergang im Schnee oder eine sinnliche Begegnung mit einem Menschen oder ein tiefes Gespräch – eine Tantrikerin ehrt das Göttliche in jeder dieser Erfahrungen.
Und ein Tantriker geniesst es, in seinem Körper zu sein. Er ehrt den Körper als Tempel des Göttlichen und übt sich darin, den Körper immer feiner zu stimmen und immer präziser und genußfähiger wahrzunehmen. Und ein Tantriker kennt auch die Feuer der Energien in seinem Körper. Er weiss, wie er diese Feuer entfachen kann, wie er über seinen Atem und durch Einsatz der Stimme intensiver empfinden und den Körper vibrieren lassen kann vor Ekstase.
Eine Tantrikerin liebt ihre Gefühle. Sie unterscheidet nicht zwischen höheren und niederen Gefühlen, zwischen guten und schlechten Empfindungen. Sie umarmt sie alle gleichermassen und feiert die Lebensfreude, die in allen Gefühlen präsent ist. Und sie weiss, wie sie die Filter ihrer Wahrnehmung und die Urteile über ihre Umwelt entlarven und transformieren kann. Eine Tantrikerin kennt ihr tiefstes Selbst und sie weiss, wie sie jederzeit zu tiefem Frieden und Harmonie zurückfinden kann.
Ein Tantriker weiss auch, wie er in Kontakt gehen kann mit den Menschen, die ihm begegnen in der Welt. Er kennt die Dynamiken von Beziehungen und das Spiel der unterschiedlichen Lebensrollen und erforscht diese wie ein neugieriges Kind mit offenem Herz und wachem Geist. Er geniesst es, Menschen offen und neugierig zu begegnen und er sucht in allen Kontakten die tiefe Verbindung, die zwischen allen Menschen fliesst. Er öffnet sich selbst und zeigt sich offen und nackt und er sieht die Schönheit in der Einzigartigkeit jedes Menschen. Ein Tantriker hat auch keine Angst davor, seine Zuneigung oder Lust zu zeigen. Er tut dies in respektvoller Weise und er offenbart seine Gedanken, Gefühle und Wünsche ohne Erwartungen – ohne Anhaftung.
Eine Tantrikerin ist auch eine Meisterin der Begegnung ohne Worte. Sie kann ohne Worte einzig über ihren Körper und ihre Präsenz in Kontakt gehen und sie gibt sich der Liebeskunst der Entspannung und Absichtslosigkeit hin. Sie liebt es, ebenso ins Feuer der wilden Leidenschaft einzutauchen, wie sie es liebt in stillen und langsamen Begegnungen durch die Zeitlosigkeit zu tauchen. Und eine Tantrikerin ist eine Meisterin der Berührungskunst. Sie weiss, wie sie ihre Hände, ihren Mund, ihre Lippen, ihren Körper einsetzen kann, um den Körper eines anderen Menschen zu erden, zu beleben, für tiefe Stille und Präsenz zu öffnen, Lust und Erregung zu entfachen und ekstatische Gefühle zu wecken. Sie kennt die Schlüssel der Berührung und die verschiedenen Ebenen der Berührungskunst und erforscht diese auf immer tiefere und umfassendere Weise.
Und ein Tantriker hat Visionen – klare Visionen für sich selbst, über das was er verwirklichen will. Er kennt seine Herzensvisionen und er verwirklicht diese Visionen auf einem entspannten und zugleich konsequenten Weg. Er führt ein ausgewogenes, erfülltes und reiches Leben und er weiss seinen Verstand zu lenken. Er kann klare und kraftvolle Entscheidungen zu treffen. Er kann sich abgrenzen und er kann sich hingeben. Er liebt die Vielfalt der Erfahrungen und Abschnitte des Lebens und geniesst seine Reise in vollen Zügen.
Eine Tantrikerin liebt auch ihre eigene Unvollkommenheit. Sie kennt ihre Vorlieben und Abneigungen und auch ihre Schattenseiten. Und genauso wie sie die Schatten anderer Menschen liebevoll umarmt, liebt sie auch ihre eigenen Schatten und Eigenarten. Sie weiss, dass Erleuchtung nichts mit Perfektion oder ständigen Glücksgefühlen zu tun hat, sondern in jeder Erfahrung leuchtet. Sie sucht nicht nach Erleuchtung, sondern sie erkennt, dass das Licht der Erleuchtung bereits jetzt in jedem Moment eine andere Erfahrung in ihr erstrahlen lässt. Und jeder dieser Erfahrungen gibt sie sich hin, so tief und grenzenloses es ihr gerade möglich ist. Sie lebt ihr Leben in dem Wissen, dass jede Erfahrung und jede Wahrnehmung eine Einladung zu einer Liebesbeziehung ist.
(Nils Kriedner – www.sahaja-tantra.de)
The Prayer of Saint Francis
Lord, make me an instrument of thy peace.
Where there is hatred, let me sow love;
Where there is injury, pardon;
Where there is doubt, faith;
Where there is despair, hope;
Where there is darkness, light;
Where there is sadness, joy.
O divine Master, grant that I may not so much seek
To be consoled as to console,
To be understood as to understand,
To be loved as to love;
For it is in giving that we receive;
It is in pardoning that we are pardoned;
It is in dying to self that we are born to eternal life.
Lebensspuren
Was bleibt ist das Geliebte.
hineingeliebt in Dich
herausgeliebt aus mir
gesund geliebt in uns
in Liebe Geheiltes
in Liebe Gelebtes
in Liebe Gelassenes
Spuren des Lebens die immer bleiben
lesbar – lebbar
wertvolle Haltegriffe
Wegweiser für ein Leben in Liebe
(Georg Wögerbauer)
Liebe Oma
Ich wünsch Dir Alles Gute auf Deiner letzten Reise.
Es gibt so einen blöden Sprich: „Gute Mädchen kommen in den Himmel – böse überall hin.“ – Wenn der stimmt, dann bist Du in Deinem Leben vielleicht nicht überall hingekommen wo Du hättest hinkommen können, aber Du bist jetzt sicher im Himmel. Ja – „brav“ sein – das war Dir immer sehr wichtig.
Lass mir den Opa schön grüßen, den ich ja nie kennenlernen durfte. Zumindest kann ich mich nicht mehr an ihn erinnern. Sag ihm, dass ich gern mal ein Bier mit ihm getrunken hätte. Du hast ihm auch nach seinem Tod noch 39 Jahre lang die Treue gehalten. Ich bin mir sicher, er wird an der Schwelle stehen und auf Dich warten. Dann kannst Du endlich wieder tanzen mit ihm. Etwas was Du so gern getan hast und die letzten 10 Jahre Deines Lebens wegen Deiner Krankheit nicht mehr tun konntest.
Jetzt ist alles wieder leichter und beschwingter. Dein ganzes Leben hast Du deinen Kindern und Enkelkindern gewidmet und geschaut, dass es allen um Dich herum gut geht. Jetzt ist die Zeit wo Du auf DICH schauen kannst. Genieße sie in vollen Zügen.
Andreas Gabalier singt in seinem Lied – Amoi seg ma uns wieder – „Ois wos bleibt ist die Erinnerung“. Und ich möchte Dir heute danken. Denn es gibt eine Erinnerung die ich mit Dir verbinde, die zu den schönsten und prägendsten meines Lebens gehört: Die Tage als Kind in Deinem Garten.
In einem Alter als ich noch nichts „musste“ und die Zeit daher eine ganz andere Qualität hatte. Diese intensive, mit allen Sinnen schwangere Qualität die nur Erinnerungen aus der Kindheit haben können. Der Geruch von Wiese und dem alten Klappbett auf dem wir in der Mittagspause lagen, die intensive Wärme die davon ausging, das Geräusch welches dieses Bett machte, wenn man es aufstellte … vorausgesetzt es ist nicht – wie so oft – zusammengebrochen. Ich seh mich dort mit geschlossenen Augen liegen und höre den Ruf der Tauben – ein Ruf zur Entspannung der durch die Luft surrt und bis an meine Ohren und noch viel weiter in mich dringt. Die Flugzeuge die über den Himmel düsen und an weit entfernte Orte fliegen. So weit entfernt wie es sich in meinem Inneren in diesen Momenten angefühlt hat. Weit, total entspannt und ganz im Hier und Jetzt. Mühelos und ohne Anstrengung. Wenn ich an einen Moment denken soll. in dem ich total absichtslos glücklich war, dann fällt mir sofort dieses Bild ein, das mich immer tragen wird. Und dafür möchte ich Dir danken.
Ich möchte Dir auch dafür danken, dass ich durch Dich und das was Du an meine Mutter weitergegeben hast, von klein auf gelernt habe, mich auf andere Menschen einzustimmen. Eine Fähigkeit die heute eine der Kernqualitäten in meiner Arbeit ist und die es möglich macht das Leben vieler Menschen positiv zu verändern. Vielleicht bist Du in Deinem Leben dadurch manchmal selbst auf der Strecke geblieben … ich weiß es nicht und kann und möchte das nicht beurteilen als Dein Enkerl. Ich jedenfalls möchte versuchen zu lernen diese Fähigkeit immer besser zu verfeinern um mich sowohl auf Andere als auch auf meine Bedürfnisse einstimmen zu können. Und ich freu mich wenn Du freundlich auf mich schaust und mich von oben unterstützt in diesem Bemühen.
Jetzt dreht sich gerade das Rad der Erinnerungen:
Kirschenkompott, Wetten-Dass & Dalli Dalli, Silvesterraketen, Waschküche, die Kellerstiegen runterstürzen, die Erdbeeren und Blumen in Deinem Garten, Dartscheibe, Wäschekiste, Kartoffelteig, dein Schlapfen der beim Fußballspiel fliegt … es sind zu viele um sie alle aufzählen zu können.
Liebe Oma. Du hast alles gegeben und kannst Dich jetzt ein zweites Mal getrost in den Ruhestand begeben.
Was mir noch bewusst wird, ist, dass Du meine letzte Oma warst. Und dieser Gedanke bewegt mich. Bis jetzt waren da immer Großeltern, Eltern und dann ich. Jetzt stehe ich plötzlich in der zweiten Reihe und ich merke wie mich das in eine andere Rolle katapultiert – ob ich will oder nicht. An diesem Platz spüre ich eine neue Verantwortung und ich hab grad Zweifel ob ich ihr gewachsen bin. Es fühlt sich an als ob Dein Gehen mich dazu auffordert endlich richtig erwachsen zu werden – und das kurz vor meinem 40sten Geburtstag. Irgendwie fühl ich mich noch immer so klein in meinem Inneren und es gibt einen Teil in mir, der diese Verantwortung nicht will. Und gleichzeitig weiß ich, dass das der Lauf der Dinge ist und dass das gut und richtig so ist – dass das so sein muss.
Zu dieser Verantwortung zählt für mich auch finanziell gut für meine Familie zu sorgen. Wenn wir als Kind mit Dir übers Reich-Werden gesprochen haben, dann hast Du gesagt „Reich sind Andere – WIR nicht!“. Vielleicht hast Du es auch nur einmal gesagt … aber irgendwie ist mir dieser Satz in Erinnerung geblieben. Und den würde ich gern bei Dir lassen. Denn ich möchte gern reich sein … gemessen an meinen Vorstellungen und Maßstäben für Reichtum. Und ich möchte es in einer Art und Weise werden, die mir Freude macht, die meine Fähigkeiten widerspiegelt und die Sinn für mich und Andere macht. Und ich hoffe, dass Dich das dann stolz macht. So wie Du immer den anderen Menschen, uns – Deine Enkerl, voller Stolz vorgestellt und gezeigt hast. Danke Oma.
So – jetzt ist für´s Erste alles gesagt.
Ich Danke Dir von Herzen und ich würde mich freuen wenn Du mit dem Opa ein Bier auf mich trinkst, sobald Du oben angekommen bist. Ich werde jedenfalls heut auf einer Almhütte in der Steiermark auf Euch anstoßen.
In Liebe,
Dein Enkerl
Manuel