Muss erst wer sterben, um zu vergeben?

Vor kurzem hab ich den Song „Monsters“ von James Blunt das erste Mal wirklich bewusst gehört. Die Komposition von Text und Musik hat mich sehr berührt und zu folgenden Gedanken inspiriert.

In diesem Lied schreibt der bekannte Sänger seinem Vater folgende Text-Zeilen im Angesicht dessen lebensbedrohlicher Nierenerkrankung:

Oh, before they turn off all the lights
I won’t read you your wrongs or your rights
The time has gone
I’ll tell you goodnight, close the door
Tell you I love you once more
The time has gone
So here it is

I’m not your son, you’re not my father
We’re just two grown men saying goodbye
No need to forgive, no need to forget
I know your mistakes and you know mine

Let there be no darkness, in your heart


Der Tod als Lehrer

Im Angesicht des möglichen Todes seines Vaters findet der Sänger in einen Zustand, in dem es kein richtig und falsch gibt, in dem Rollen wie Vater oder Sohn, aufhören zu existieren und stattdessen eine wahre Begegnung von Mensch zu Mensch möglich wird, in dem alles angenommen werden kann wie es ist und es daher auch nichts mehr zu vergeben und zu vergessen gibt, in dem die Dunkelheit im Herzen, der Liebe und Verbundenheit weicht.  

Ist es nicht ein menschliches Paradox?!
Just in DEM Moment in dem man drauf und dran ist ALLES zu verlieren, hat man plötzlich NICHTS mehr zu verlieren. Jegliche Masken fallen ab und alle Karten liegen plötzlich auf dem Tisch. Der Tod als großer Lehrer – wie viele meiner buddhistischen Lehrer immer wieder gesagt haben. Und tatsächlich gibt ein zahllose Geschichten darüber, wie Menschen im Angesicht des Todes eine Transformation erleben – bevor sie die geheimnisvolle letzte Schwelle überschreiten. Wo jahrzehntelange Streits beigelegt werden, es Menschen gelingt loszulassen oder sie es schaffen, ihr Leben komplett zu verändern – wenn es ihnen beschert ist, nochmal die Kurve zu kratzen.

Das Leben als Leher

Aber müssen wir oder ein geliebter Mensch erst sterben, um zu vergeben oder anders zu leben? Wie können wir mitten im blühenden Leben einen inneren Geisteszustand erreichen, der Versöhnung und Vergebung ermöglicht. Der uns offen und unvoreingenommen auf einander zugehen lässt um uns wirklich zu sehen als das was wir sind. Der das Verbindende mehr in den Vordergrund stellt als das Trennende. Der dem Beziehungsstiftenden mehr Wichtigkeit einräumt als dem Urteilenden. Der in seiner Essenz Wahrhaftigkeit & Liebe ist.  

Diese Frage entspringt einem westlichen Geist. In den östlichen Philosophien würde man sagen, dass dieser Zustand unser natürlicher UR-Zustand oder unsere eigentliche Essenz ist. Die – aus dieser östlichen Sicht – richtige Frage wäre dann:

„Was steht diesem Zustand im Weg?“

Auf diese Frage gibt es sicher mannigfaltige Antworten aus unterschiedlichen Perspektiven und von unterschiedlicher Tiefe. Ich möchte mich heute auf EINE davon beschränken:

Etwas auf das ich sowohl in meiner Praxistätigkeit, als auch in meinem Privatleben immer wieder zurückgeworfen werde, ist die Bedeutung von Emotionen und die unverarbeiteten Erfahrungen die mit diesen in Verbindung stehen und verhindern, dass wir die Welt und Menschen mit einem offenen, frischen und unschuldigen Blick sehen. Die meisten Menschen jagen natürlicherweise einem Gefühl von Freude nach und versuchen die anderen Basisemotionen wie Angst, Scham, Trauer oder Wut zu vermeiden. Jedoch erfüllen ALLE Emotionen in Beziehungen zu anderen Menschen und Lebenssituationen wichtige Funktionen.

Wie wir den Fluss der Gefühle Stoppen oder in deren Fluten untergehen

Wenn wir uns bewusst oder unbewusst dagegen wehren, den Fluss der Gefühle zu fühlen, die natürlicherweise in uns entstehen, dann sitzen wir irgendwann auf dem Trockenen. Wenn wir sie auf der anderen Seite unkontrolliert in uns wüten lassen, dann werden wir in ihren Stürmen und Strudeln untergehen. Wenn wir sie ignorieren, dann werden wir ihre Botschaft nicht verstehen. Das limitiert uns in der Fähigkeit mit anderen Menschen in diesem offenen Geisteszustand wahrhaftig in Verbindung zu sein.

Ein Beispiel:
Ein Mensch fühlt sich von einem anderen durch dessen Taten oder Worte in seinen Werten verletzt und sein Körper-Geist-System reagiert mit Wut. Hat dieser Mensch nicht gelernt konstruktiv mit dieser Wut umzugehen und ignoriert sie (in dem er sie einfach nicht wahrnimmt oder spürt), dann wird er den anderen Menschen in Zukunft vielleicht unbewusst meiden, sich distanziert oder sarkastisch verhalten oder in dessen Gegenwart eine Art Irritation orten, ohne zu wissen was eigentlich los ist.

Außerdem wird er die Botschaft der Wut (zB. „ich finde es nicht richtig was Du getan hast und ich möchte dass Du dein Verhalten änderst“) nicht verstehen, kann diese nicht kommunizieren und wird vielleicht immer wieder ähnlich unangenehme Situationen mit diesem Menschen erleben.

Das andere Extrem wäre es,  seine Wut ungefiltert auf diesen Menschen loszulassen und diesen zu beschuldigen, zu verurteilen oder zu beschimpfen. Was vielleicht zu einem Beziehungsabbruch mit diesem Menschen führt, den er ja eigentlich gern in seinem Leben haben möchte.

Wenn der Mensch also nicht lernt seine Wut zu spüren, sie zu erkennen und zu benennen, sie angemessen auszudrücken und die Geschichte bzw. die Bedürfnisse dahinter zu verstehen, dann wird es ihm schwerfallen, die Kraft, die in der Wut steckt zu nutzen, um Konflikte konstruktiv zu lösen und Beziehungen selbstwirksam zu gestalten.

DURCH GEFÜHLE ZU UNSEREN KERNÜBERZEUGUNGEN FINDEN

Wenn wir unsere Gefühle zur Selbsterforschung nutzen, dann können wir unseren tiefsten Kernüberzeugungen (core-beliefs) auf die Spur kommen, die meist durch frühe Erfahrungen entstanden sind (zB. ich habe es nicht verdient mit Respekt behandelt zu werden). Nur wenn wir uns dieser Kernüberzeugungen bewusst werden, dann können wir sie auch verändern. Oder wie ein Lehrer von mir immer gesagt hat:

„The best way to get out of a system, is to study the system.”

Unsere Kernüberzeugungen können sich leicht an Gefühle heften:

Wenn wir unbewusst und unkontrolliert unserer …

  • Angst ausgeliefert sind, dann erleben wir die Welt als einen gefährlichen Ort und müssen uns ständig schützen oder auf der Hut sein.
  • Wut ausgeliefert sind, dann sehen wir die Dinge mit einer starken Aversion  – so wie wenn die Welt ständig gegen uns wäre.
  • Freude ausgeliefert sind, dann entsteht oft Anhaftung oder wir sehen die Welt durch eine rosarote Brille
  • Traurigkeit ausgeliefert sind, dann wirkt die Welt triste und unsere Prognosen sind pessimistischer und hoffnungsloser. Außerdem erleben wir in der Regel weniger Selbstwirksamkeit und Selbstvertrauen.
  • Scham ausgeliefert sind, dann fühlen wir uns ständig falsch und es fällt uns schwer unbefangen wir selbst zu sein.

Es gibt viele Methoden und Werkzeuge, um mit Gefühlen zu arbeiten und den konstruktiven Umgang mit ihnen zu lernen. Die, die sich in vielen Jahren eigener Forschung als hilfreich herausgestellt und sich auch in meiner Praxistätigkeit und meinen Workshops hundertfach bewährt haben, habe ich gemeinsam mit meinem Kollegen Sean in ein Training mit 4 Modulen gegossen. Das Ergebnis Emotionalen Embodiments sind unter anderem eine größere Lebendigkeit, stärkere Selbstwirksamkeit, die Fähigkeit sich gesünder auf anderen Menschen einzulassen, mehr Flexibilität, Kreativität, eine bessere Beziehungsfähigkeit und mehr Resilienz bei Konflikten

Alle Infos zum ERET Emotional & Relational Embodiment Training findest Du unter
www.eret.at

Damit Du nicht warten musst bis jemand stirbt … to chase the monsters away 🙂

PS: Und wer gern wissen möchte wie Psychedelisch Unterstützte Therapie & Selbsterfahrung Dir dabei helfen kann, diesen Zustand zu erreichen, der kann mich gern über mein Kontaktformular anschreiben. 

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